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Helden und Entgleisungen

A TRIBUTE TO HUMAN LEAGUE & HEAVEN 17

viertelnachfünf 09.Aug.2001

Der FC St. Pauli erweist in dieser Saison zu jedem Heimspiel einer legendären Band die Ehre. Gegen Hansa Rostock geht es zurück in die Achtziger, die derzeit wieder voll im Trend liegen: Die Synthiepop-Heroen Human League wagen gerade ein Comeback, die Kollegen von Heaven 17 gehen wieder auf Tour

1990 gab es mit „Romantic?" den ersten vergeblichen Anlauf, der zweite, ebenfalls erfolglose, folgte 1995 mit Octopus". Nun also der Longplayer „Secrets", Comeback-Versuch Nummer drei von Human League, bei dem Philip Oakey, Susanne Sulley und Joanne Catherall abermals die altbewährten 8oer-Klänge in die Gegenwart hinüberretten wollen. Und das ist gar nicht so einfach, sind die Achtziger in der Rückschau doch eine bizarr anmutende Dekade gewesen, die mit so einigen geschmäcklerischen Entgleisungen einherging, an die man besser nicht erinnert werden möchte.

Die 8oer Jahre, das waren Schulterpolster, Dauerwellen, Tennissocken, mit Domestos „veredelte" Jeans, Schweißbänder - und die Popper, die auf Luxus und Statussymbole setzten. Ihre Musik war der Synthiepop, gespielt von dandyesk bis obskur gestylten Bands wie OMD, Spandau Ballet, Ultravox, A Flock Of Seagulls, Depeche Mode und eben Human League. Deren Geschichte begann 1977. Die Sheffielder Computerfreaks Martyn Ware und Ian Marsh hatten sich bereits unter den Namen Dead Daughters und The Future als Elektro-Duo versucht, als sie den Sänger Philip Oakey trafen und mit diesem Human League gründeten. Sie nahmen ein Demoband auf, gaben ein paar Konzerte und holten Adrian Wright zur Band, der den Auftritten mit seinen Dia-Shows eine besondere Aura verlieh.

1978 veröffentlichten Human League ihre Debütsingle „Being Boiled", ein Jahr später folgte der Longplayer „Reproduction", auf dem sich die Gruppe noch stark von Kraftwerk beeinflusst zeigte. Der Nachfolger „Travelogue" bescherte dem Quartett 198o den Durchbruch - und beinahe auch das Aus, da man sich über die künftige musikalische Richtung zerstritt. Oakey und Wright fühlten sich zum Pop hingezogen, Ware und Marsh favorisierten weniger eingängige Elektrosounds und verließen Human League.

Ihr erstes Projekt war die British Electric Foundation, berühmt wurden sie jedoch mit den im Oktober 1980 gegründeten Heaven 17, die mit „Penthouse and Pavement" und „The Luxury Gap" zwei der wichtigsten Alben der Achtziger veröffentlichten, sich 1988 auflösten und 1996 mit „Bigger than America" ein Comeback versuchten. Resultat: siehe oben.

Adrian Wright und Philip Oakey holten derweil den Bassisten Ian Burden und die Sängerinnen Susanne Sulley und Joanne Catherall zu Human League und setzten zum Sprung in die Hitparaden an. Die Single „Don't You Want Me" schaffte 1981 in Großbritannien und den USA die Poleposition. Nach 'dem Album „Hysteria", das 1984 erschien, herrschte für den Rest des Jahrzehnts Stille. Danach gab es die beiden eingangs erwähnten Flops, und umso überraschender ist es, dass Human League jetzt mit „Secrets" erneut den Spagat unternehmen, musikalisch zurückzublicken und dennoch zeitgemäße Musik zu kreieren. Das gelingt mit Songs wie „All I Ever Wanted", „Sin City" oder „Love Me Madly" ganz gut, auch wenn es nicht wirklich State of the Art ist. Auf Liedern wie „Shameless" und „Never Give Your Heart" wirkt es dagegen uninspiriert und altbacken.

So pendelt der Hörer unentschlossen zwischen den Polen Wohliges-Erinnern-an-alte-Zeiten und Befremdlicheswer-will-sowas-noch-hören-Schulterzucken hin und her. Falls auch das dritte Comeback-Album nicht den gewünschten Erfolg bringt, können sich Human League ja ihren ehemaligen Bandkollegen von Heaven 17 anschließen: Die streuen im November mal wieder ihre alten Hits unters britische Volk - auf der „Here And Now Tour 2001" unter anderem mit den 8oer-Stars Paul Young, Kim Wilde, Go West. Live geht halt immer noch was.

Matthias Lotzin/Foto Promo